Fakten gegen Vorurteile #5 – Zeit sparen

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Kurz und knapp:

Neben dem realen Problem, dass das Radfahren in der Stadt nicht immer so sicher ist, wie wir es uns wünschen würden, wird häufig ein zweites Problem genannt, nämlich, dass das Radfahren zuviel Zeit koste... Wir wollen in diesem Artikel mit diesem Vorurteil ein und für alle Male aufräumen: Also, das Radfahren und das Zeit Sparen:

Intro

Das Fahrradfahren Geld spart und die Umwelt schont ist weithin bekannt. Trotzdem gibt es für viele Menschen Gründe, die dagegen sprechen. Man bekommt sie häufig zu hören, wenn man jemanden dazu ermuntern will gelegentlich das Auto stehen zu lassen. Für viele dieser Gründe, beziehungsweise Killerphrasen kann man recht einfach Gegenargument liefern:

Neben dem diffusen Sicherheitsgefühl stellt eine sehr knappe, wertvolle und nicht vermehrbare Ressource meistens das Hauptproblem dar.

Zeit

Beim kurzen Weg in die City, zum Bahnhof oder Bäcker zieht tatsächlich das Auto innerorts regelmäßig den Kürzeren. Ehrlicherweise muss man anmerken, dass die Parkplatzsuche und –verfügbarkeit dabei eine erhebliche Rolle spielt. Da die täglichen Wege aber sehr individuell ausfallen können, die Parkplatzsuche manchmal entfallen kann und eine autogerechte Stadt wie Hagen dem motorisierten Individualverkehr traumhafte Durchschnittsgeschwindigkeiten ermöglicht, kann der motorisierte Individualverkehr durchaus einen nicht unerheblichen Zeitvorteil bieten. Wie groß ist dieser wirklich? Ist es am Ende auch eine Frage der Betrachtungsweise ob man dabei wirklich Zeit spart? Nebenbei wurden dabei auch Kosten und Emissionen der Varianten Pkw, Fahrrad und ÖPNV betrachtet.

Ein Experiment im Hagener Alltagsverkehr

Vermessen wurde eine Strecke quer durch Hagen mit den folgenden Parametern:

  • Zeit: Werktags (morgens / nachmittags)
  • Weg am Zentrum vorbei von Hagen-Haspe nach Hagen-Helfe (hin und zurück)
  • Wegstrecke ca. 9 – 10km (je nach Routenwahl)
  • Steigungen nicht extrem aber vorhanden
  • Fahrrad ohne elektrischen Hilfsantrieb, früher auch einfach nur Fahrrad genannt
  • Durchgängige Strecke im ÖPNV ohne Umsteigen (kurze Fußwege zu den Haltestellen)

Ergebnisse

Fakten auf den Tisch – so sehen die aufsummierten Zeiten für Hin- und Rückweg von Tür zu Tür aus. Bei Nutzung des Pkw legt man die Strecke in 38:22 Minuten zurück. Knapp 10 Minuten länger benötigt man mit dem Fahrrad [1]. Per ÖPVN inklusive Fußwege werden insgesamt 1:28:00 Minuten benötigt. Davon entfallen  01:12:00 Minuten auf die Fahrzeit und ca. 16 Minuten auf die Fußwege [2].

Da keine Zeit für Parkplatzsuche oder zusätzliche Fußwege aufgewendet werden musste hat der Pkw die Nase von – sehr weit abgeschlagen ist die ÖPNV-Nutzung (Bus) mit mehr als doppelter Fahrtzeit. Ein wichtiger Faktor wird bei dieser Betrachtungsweise (Tür-zu-Tür) allerdings außen vor gelassen. Die persönliche Gesundheit. Die WHO empfiehlt 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive körperliche Aktivität pro Woche. Gerade zu Zeiten der Corona-Pandemie entfallen viele Möglichkeiten der sportlichen Betätigung komplett. Zeitsparen und Gesundbleiben können auch durch die Wahl der Fortbewegungsweise kombiniert werden. Bezieht man die notwendige moderate körperliche Aktivität in die Betrachtung ein, ändert sich das Ergebnis. Da man diese auf dem Fahrrad ganz nebenbei erledigen kann, spart man netto jeden Tag über 20 Minuten gegenüber der Pkw-Nutzung ein. Pkw fahrende Menschen müssten die moderate oder intensive körperliche Aktivität separat nachholen. Da man bei Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel auch kurze Fußwege (moderate körperliche Aktivität) zurücklegt, verkürzt sich der Abstand zwischen Pkw und Bus. Dieser beträgt dann noch knapp über 30 Minuten.

Zeitsparen und Gesundbleiben geht also am besten mit dem Fahrrad.

Wie sieht es bei den Emissionen aus? Basierend auf Angaben des Umweltbundesamtes haben Pkw 2020 durchschnittlich 143g CO2-Equivalente pro gefahrenen Kilometer ausgestoßen. Der Linienbus im Nahverkehr stößt pro Personenkilometer immerhin noch 80g CO2 aus. Da Angaben für Fahrräder fehlen, stützen wir uns hier auf Angaben von Dr. Matthias Heil (Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung) zum „menschlichen“ CO2-Ausstoß bei Ruhe und körperlicher Belastung. Wenn man unter körperlicher Belastung eine Geschwindigkeit von 20 km/h erreicht werden ca. 11g C02 pro km zusätzlich gegenüber dem Ruhezustand emittiert. Im Zusammenhang mit der o. g. Empfehlung der WHO sind diese Werte eher zu hoch angesetzt – für einen qualitativen Vergleich sollen sie hier genügen. Trauriger Spitzenreiter ist der Pkw mit über einer halben Tonne CO2-Emissionen im Jahr. Im Bus sind es 370 kg und  erwartungsgemäß werden bei Fahrradnutzung nur ein Bruchteil, nämlich 41 kg CO2, im Jahr durch den Fahrweg zusätzlich emittiert. Und hier sind die Emissionen der Herstellung und Entsorgung noch nicht einmal erfasst. Die bestehenden Unterschiede dürften sich dadurch noch vergrößern.

Im Bereich der Kosten gibt es eine große Überraschung. Die Fahrt mit Einzelfahrscheinen fällt teurer aus als mit dem Pkw. Zu Grunde liegen die aktuellen Ticketpreise (4xA2: 10,70€) in Hagen [6] und die Kilometerpauschalen (Pkw: 0,30€/km; Fahrrad: 0,05€/km). Die Nettoersparnis der Fahrradnutzung liegt bei 4,35€ pro Tag und fast 1.000€ im Jahr gegenüber der Pkw-Nutzung.

Fazit

Der Ausstieg aus dem Pkw fällt in jedem Fall schwer, da zunächst der höher angenommene Zeitaufwand ins Auge fällt und das Gewohnheitstier Mensch Schwierigkeiten haben wird Sicherheit und Komfort auf täglichen Wegen zu reduzieren. Auf der anderen Seite stehen die relativ bekannte, deutliche Kostenersparnis beim Wechsel auf das Fahrrad und eine Zeitersparnis, die erst einmal abwegig erscheint, sich aber selbst auf der ungünstigen Strecke deutlich und nachvollziehbar zeigt.

Es ist erschreckend, dass die Ersparnis durch Nutzung des ÖPNV zunächst gar nicht und selbst mit Monatstickets eher gering ausfällt. So wird ein bisher hauptsächlich im Pkw fahrender Mensch kaum zum gelegentlichen oder dauerhaften Wechsel in die Öffentlichen Verkehrsmittel ermuntert.

Bei gemischter Nutzung können beide motorisierten Verkehrsmittel mit dem Fahrrad hinzugewinnen, während die Kombination Bus und Pkw wohl in den meisten Fällen abschreckende Mehrkosten beinhaltet. Also: Warum es nicht bei gutem Wetter öfter mit dem Fahrrad versuchen und bei schlimmen Wetterlagen oder anderen Gründen auf motorisierte Verkehrsmittel ausweichen. Durch vermehrte Fahrradnutzung spart man Zeit und Geld – egal womit man bisher hauptsächlich unterwegs war.

Zudem tut man etwas für die eigene Gesundheit und die seiner Mitmenschen. Ebenfalls wird der Flächenbedarf für die eigene Mobilität reduziert.

Quellen (abgerufen am 28.02.2021)

[1] Eigene Messungen am 04./05.02.2021.

[2] https://goo.gl/maps/SgPbLKeGKJsD8eNX8

[3] https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Publikationen/Wirtschaft/der-beitrag-des-sports-zur-erfuellung-der-who-empfehlungen-fuer-koerperliche-aktivitaet.pdf?__blob=publicationFile&v=10

[4] https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/emissionsdaten#verkehrsmittelvergleich_personenverkehr

[5] https://www.co2online.de/service/klima-orakel/beitrag/wie-viel-co2-atmet-der-mensch-aus-8518/

[6] https://www.strassenbahn-hagen.de/tickets-abo/vielfahrer/ticket2000-ticket2000-9-uhr.htm

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