Fakten gegen Vorurteile #4 – Das saubere Auto

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Kurz und knapp:

Wir alle wollen den Klimawandel stoppen. Aber beim Verkehr ist das gar nicht so einfach! OK, wir plädieren natürlich dafür, möglichst oft das Fahrrad zu benutzen – Aber was, wenn es nun doch ein Auto sein muss? Wir haben uns die verschiedenen Optionen angesehen, um herauszufinden, wie der Ausstoß von Treibhausgasen bei der Autonutzung möglichst reduziert werden kann:

Intro

Klimawandel stoppen bedeutet Emissionen senken. Während viele Sektoren wie Energie, Industrie oder auch das Beheizen von Gebäuden heute deutlich weniger CO2 emittieren, liegt der Ausstoß des Pkw-Verkehrs in 2018 3,4 % höher als im Referenzjahr 1990. Da die spezifischen Emissionen (CO2/km) im gleichen Zeitraum um immerhin 9% abnahmen, ist dies auf einen größeren Verkehrsaufwand zurückzuführen [1].

2020 neuer Anlauf – diesmal soll es ein Wechsel in der Antriebstechnik richten. Unter hohem politischem Druck und mit gewaltigen finanziellen Förderungen wird der Umstieg vom Verbrennungsmotor auf elektrische Antriebe vom Staat beschleunigt. Wir haben uns verschiedene Optionen angesehen um herauszufinden wie der Ausstoß von Treibhausgasen für individuelle Mobilität am besten reduziert werden kann. Natürlich haben wir auch einen Vergleich angestellt wie es einfacher und auch günstiger gehen könnte – nämlich indem man bei seiner ganz persönlichen Verkehrswende das Fahrrad nutzt.

Randbedingungen

Ein Elektroauto hat doch keinen Auspuff – also sind die CO2-Emissionen null?

So einfach ist es nicht.

CO2-Rucksack noch vor dem 1. Kilometer

Die Herstellung eines Lithium-Akkumulators erfordert neben dem eigentlichen Ressourcenverbrauch (Lithium, Kobalt, seltene Erden) große Mengen Energie. Das IVL (schwedisches Umweltinstitut) hat in einer Studie eine Spanne von 61 – 106 kg CO2‑Emissionen je produzierter kWh Speicherkapazität berechnet [2]. Für unsere Berechnungen sind wir vom Mittelwert dieser Spanne ausgegangen. Zusätzlich wurden jeweils 7.000 kg CO2 für die Herstellung des „sonstigen Fahrzeuges“ angesetzt.

Emissionen im Betrieb

Für die persönliche Antriebswende nutzt man idealer Weise Strom aus regenerativen Quellen. Kann man das auf die sukzessive Umstellung mit 100 % elektrischen Antrieben  übertragen? Wir würden uns das wünschen – Fakt ist aber auch, dass trotz stetig steigendem Anteil erneuerbarer Energien jede erzeugte Kilowattstunde elektrischen Stromes (kWh) einiges CO2 freisetzt. Nach 764 gCO2 1990 waren es 2019 noch 401 gCO2/kWh [3]. Man kann darüber streiten ob man nun mit „0“ oder 401 gCO2/kWh rechnen müsste. Wir haben mit beiden Werten gerechnet – sozusagen mit einem aktuell zutreffenden und dem idealen Wert der im Rahmen der Senkung von CO2-Emissionen für die Energieversorgung angestrebt werden muss.

Nun zu den Autos … und dem Fahrrad

Mit den oben genannten Werten haben wir insgesamt 7 verschiedene Szenarien für die Individual-Mobilität untersucht. Als Referenz wurde ein sogenanntes Hybrid-Electric-Vehicle (HEV) ausgewählt. Der Serieneinsatz eines Verbrennungsmotors in Kombination mit einem kleinen Akku vor mehr als 20 Jahren brachte Verbrauchseinsparungen, die bis heute nicht ansatzweise von konventionellen Verbrennungsmotoren erreicht werden konnten. Die weiteren Szenarien bestehen in PlugIn-Hybrid-Electric-Vehicles (PHEV),  Electric-Vehicles (EV) mit verschieden großen Akkus und zu guter Letzt noch eine 30% Nutzung des Fahrrades zusammen mit einem HEV. Für den spezifischen Verbrauch und Emissionen gibt es die unterschiedlichsten Quellen mit unterschiedlichen Messmethoden. Teilweise werden verschiedene Baujahre / Generationen verglichen – wir gehen davon aus in jedem Fall die richtige Größenordnung getroffen zu haben – die letzten % Genauigkeit schaffen wir mit unseren Mitteln allerdings nur bedingt. Die Fahrzeuglebensdauer wurde auf 200.000 km festgelegt – über diese Distanz werden die Herstellemissionen auf die gefahrenen Kilometer umgelegt.

And the Winner is …

… gar nicht so einfach zu ermitteln. Denn gerade für die PHEV müssen Annahmen getroffen werden – nämlich zu wie viel % sie rein-elektrisch gefahren werden. Daher haben wir 60 % für den „kleinen“ PHEV S und 80 % für den großen PHEV M angenommen. Mit diesen Parametern werden durchaus zu den EV vergleichbare Einsparungen bei den PHEV erzielt. Auch die verstärkte Nutzung des Fahrrades leistet einen erheblichen Beitrag zur Reduktion von CO2-Emissionen. Deutlich zu erkennen ist, dass sich die Akkugröße bei den PHEV positiv bei den EV jedoch negativ auf die Gesamtbilanz auswirkt. Die Berechnungen „Strommix“ verdeutlichen, dass eine erhöhte Fahrradnutzung ganz vorne mit dabei ist.

Fazit: Weniger ist mehr?

Beim EV sollte der Akku möglichst klein und beim PHEV so groß sein, dass man ca. 80% seiner Fahrleistung rein-elektrisch zurücklegen kann. Die beste Option (EV S) emittiert dabei 49gCO2/km bei ausschließlicher Verwendung von Grünstrom und 95gCO2/km mit „Strommix“. Bei kontinuierlichem Ausbau der erneuerbaren Energien bis 2035 würden wir selbst beim sofortigen Umstieg auf EV S im Mittel 72gCO2/km emittieren. Die am besten, günstigsten und schnellsten skalierbare Maßnahme wäre– wenig überraschend – Fahrradfahren. Fast jede*r hat es, kann es, kann es sich leisten, wird oder bleibt gesund dabei – Niemand muss über Reichweiten und Lademöglichkeiten nachdenken. Die Verkehrswende nur als Antriebswende zu denken ist wie das Klettern auf einen Baum – aber mit einer Hand auf dem Rücken. Es wäre zu einfach – naja… wir müssten nur überlegen was wir mit dem vielen Platz, dem Geld und dem überschüssigen Strom machen – aber das sind definitiv Luxusprobleme.

Es folgen noch: Quellen und FAQ zu diesem Text

Quellen (abgerufen am 16.01.2021)

[1] https://www.umweltbundesamt.de/daten/verkehr/emissionen-des-verkehrs?fbclid=IwAR3-DezK8hICV9SLZAKyaXKTEeottAeN4H1HwN1S4nk5Q-yIEAVAxxDOa10#pkw-fahren-heute-klima-und-umweltvertraglicher

[2] https://www.ivl.se/download/18.34244ba71728fcb3f3faf9/1591706083170/C444.pdf

[3] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/38897/umfrage/co2-emissionsfaktor-fuer-den-strommix-in-deutschland-seit-1990/

 

FAQ

Wie „sauber“  ist ein E-Auto denn nun?

Die einfache Lösung wäre also: „Weniger Autos und die so umweltfreundlich wie möglich“ (Maja Göpel). Es kommt auf den individuellen Bedarf an. Schon aus dem Bauch heraus, erscheint es unsinnig einen sehr schweren Akku, den man nur gelegentlich ausnutzt zu besitzen und permanent mitzuführen. Je geringer die jährliche Fahrleistung und der Anteil von Langstreckenfahrten ausfallen, desto mehr Emissionen aus der Akkuherstellung entfallen auf den einzelnen Kilometer. Je kleiner der Akku desto sauberer kann ein E‑Auto derzeit sein. Bei großen Unterschieden der Länge täglicher Fahrten und der selteneren Langstreckenfahrten, kann ein PlugIn-Hybrid (PHEV) die beste Wahl sein, da hier sehr kleine Akkus verwendet werden.

Was ist ein HEV?

HEV bedeutet Hybrid-Electric-Vehicle. Es handelt sich um ein Fahrzeug mit elektrischem Antrieb, der jedoch seine elektrische Energie über i. d. R. über eine mit Benzin betriebenen Verbrennungsmotor erzeugt. Diese Fahrzeuge haben einen sehr kleinen Akku, der nur für wenige Kilometer Reichweite ausreicht und nicht extern geladen werden kann. Dieser „Umweg“  beinhaltet zwar Wandlungsverluste, die jedoch dadurch folgende Effekte kompensiert werden:

  • Energierückgewinnung beim Bremsen wie bei einem E-Auto.
  • Der Verbrennungsmotor kann kleiner dimensioniert und im optimalen Bereich betrieben werden. I. d. R. wird der sogenannte Atkinson-Zyklus angewendet, der einen Wirkungsgrad von ca. 40% (im Vgl. zum 20 – 25% bei konventionellen Motoren) erreicht.

Kann ein HEV reinelektrisch betrieben werden?

In der Regel kann der sehr kleine Akku eines HEV nicht von extern geladen werden. Trotzdem ist es praktisch nicht unmöglich einen HEV CO2-neutral zu betreiben – dafür müsste jedoch das Benzin aus regenerativen Quellen (E-Fuel, Bio-Ethanol) kommen. Das mag im Einzelfall möglich sein, ist jedoch gesamtheitlich nicht anwendbar, da dafür riesige landwirtschaftliche Flächen oder Unmengen elektrischer Energie (mit schlechtem Gesamtwirkungsgrad) aufgewendet werden müssten.

Was ist ein PHEV?

PHEV bedeutet Plug-In-Hybrid-Electric-Vehicle. Der Unterschied zum HEV besteht in einem vergrößerten Akku und der Möglichkeit diesen extern zu laden. Typische rein-elektrische Reichweiten eines PHEV liegen bei 20 bis 50km. Damit können innerstädtische oder kurze Pendelstrecken gut bewältigt werden.  Auf Langstrecken oder bei höheren Geschwindigkeiten muss jedoch der Verbrennungsmotor zugeschaltet werden. Auch bei Nutzung der Heizung oder hoher abgeforderter Antriebsleistung springt der Verbrennungsmotor ein. Ein PHEV kann eine optimale Lösung sein, wenn kurze Strecken im Alltag überwiegen oder die Notwendigkeit eines Zweitwagens entfällt.

Warum wurde kein Verbrenner als Referenz gewählt?

Wir wollten die effizienteste Art der auf Verbrennungsmotoren basierenden Fahrzeuge als Basispunkt nutzen. Diese Technik ist seit ca. 20 Jahren in Großserie verfügbar und hat bei vergleichbarer Fahrzeuggrößen den niedrigsten Verbrauch, bzw. die geringste Emission.

Warum gibt es so viel Kritik am PHEV?

Besonders emissionsarme Fahrzeuge werden steuerlich und beim Kauf durch Prämien gefördert. Die Vermeidung von Emissionen eines PHEV basiert darauf, dass der kleine Akku möglichst vor jeder Fahrt ausreichend oder voll geladen wird. Die Emissionswerte des Fahrzeuges werden auf diese Weise gemessen und erzielen sehr gute Werte, da das Fahrzeug mit vollem Akku startet und leer / teilentladen ankommt. Ob die tatsächliche Nutzung so erfolgt wird bisher nicht kontrolliert – es besteht somit die Möglichkeit die Förderungen zu erhalten obwohl man das Fahrzeug anschließend wie ein HEV betreibt und deutlich weniger Emissionen eingespart werden. Die durchaus begründete Kritik betrifft sozusagen weniger die Technik sondern die Blindheit der Förderung in Bezug auf die Nutzungsart. Gleichzeitig bieten viele Premiumhersteller schwere Limousinen und Geländewagen als PHEV an um die Steuerlast des Nutzers und ihren Flottenverbrauch, bzw. diesbezügliche Strafzahlungen zu minimieren.

Warum kommt Wasserstoff hier gar nicht vor?

Der sogenannte Champagner der Erneuerbaren bietet hohe Energiedichte bei schnellen Ladezeiten und umgeht somit zwei Nachteile eines batterieelektrischen Antriebes. Auf der anderen Seite stehen die extrem verlustreiche Erzeugung von „grünem“ Wasserstoff (derzeit wird wesentlich mehr “grauer“ Wasserstoff aus Erdgasabscheidung erzeugt als aus regenerativen Quellen) und dessen Transport. Aus unserer Sicht sollte Wasserstoff Anwendungen vorbehalten sein, bei denen es sehr stark auf die o. g. Vorteile ankommt. Also überall wo sehr hohe Leistung ohne nennenswerte Pause/ Stillstand benötigt wird oder elektrische Energie nicht verfügbar ist. Beispiele wären Raumfahrt, Flugverkehr, Schiffe, Baumaschinen, Feuerwehrfahrzeuge oder schwere Lastwagen auf der Langstrecke.

Warum variiert die reinelektrische Nutzung (PHEV)?

Je größer der Akku des PHEV desto mehr Kilometer können am Stück oder anteilig rein-elektrisch gefahren werden. Über die gesamte Laufleistung wäre der Anteil rein-elektrisch gefahrener Kilometer bei ansonsten gleichen Nutzungsparametern also höher.

Wieso wurde die Laufleistung auf 200.000 km gesetzt?

In der Praxis werden mit verschiedensten Fahrzeugen höhere Laufleistungen erzielt. Allerdings variiert die private Nutzung von Fahrzeugen sehr stark und bei geringen jährlichen Laufleistungen oder Unfällen können sich auch deutlich geringere Werte ergeben.

Warum wird zwischen „Strommix 2019“ und „grünem“ Strom unterschieden?

Im Einzelfall können E-Autos oder PHEV mit Grünstrom oder sogar mit Strom aus der eigenen Solaranlage faktisch CO2-neutral betrieben werden – soll jedoch ein Großteil der Gesellschaft in kurzer Zeit vom Verbrennungsmotor auf elektrische Antriebe wechseln, wird die elektrische Energie durch den Strommix in Deutschland bereitgestellt werden, der 2019 401gCO2/kWh emittiert. Sehr große und schwere Elektroautos mit entsprechenden Akkus würden dabei mehr schaden als nutzen, da sie umgerechnet mehr CO2 emittieren als ein sparsamer HEV.

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