Kurz und knapp:

Politik und Verwaltung zeigen ungewöhnlichen Mut - Auf der Enneper Straße werden temporäre Radspuren eingerichtet - Autofahrerlobby und Presse zeigen massiv und erfolgreich "gerechten Volkszorn" - Politik und Verwaltung knicken ein - Missglücktes Experiment oder radfahrerfeindliche Provinzposse?

Fazit der Verkehrswende Hagen zum
popup-Radweg auf der L700 in Haspe

 

Der Zeitpunkt

Da Radfahren Zeitgeist ist, kann es eigentlich gar keine falsche Zeit zur Bereitstellung eines Radweges geben. Die Jahreszeit gab es (noch) her – wobei hydrophobe Menschen sicherlich nicht mehr in großen Mengen das Rad ab Ende September ausprobieren wollten. Der Zeitpunkt nach der Kommunalwahl in Tuchfühlung zu unserer Demo Pop-Up-Radspur am Graf-van-Galen-Ring und im Zeitraum des Stadtradelns konnte ansonsten aber kaum besser gewählt werden.

 

Der Radweg

 

Die Kommunikation rund um den Radweg

Die Westfalenpost Hagen fällte ihr Urteil bereits bevor der Radweg zur Nutzung freigegeben wurde. Eine weniger tendenziöse Berichterstattung, beispielsweise Radfahren nicht mit Todessehnsucht gleichzusetzen [3], hätte ohne Zweifel dem Projekt geholfen – gerade auch im Hinblick darauf, dass die Absicherung des Radweges mit Baken erst nach den ersten Artikeln am 28.09.2020 geschah. Insofern konnten sich Nutzer des Radweges wohl kaum positiv darüber äußern, während Nutzer des MIV natürlich unmittelbar die Nachteile spürten.

Von der Hagener Politik war nicht viel zu hören – weder zur Ankündigung noch zur Verteidigung des Projektes. Besonders fiel Bezirksbürgermeister Dietmar Thieser mit seinen Äußerungen zur angeblichen Täuschung [4] durch die Verwaltung und seiner Forderung zum sofortigen Entfernen des Radweges auf [5]. In einem persönlichen Gespräch mit Herrn Thieser konnten wir klären, dass die Verwaltung die politischen Entscheider durchaus überrumpelt hat, was aber in Bezug auf den Zeitpunkt (s. o.) auch verzeihlich und nachvollziehbar sein sollte. Des Weiteren ergab das Gespräch, dass es keine sachbezogene Grundlage für die Entscheidung der Entfernung des Radweges gab – man stützte sich hier auf einzelne Nachrichten von Bürger*innen, beziehungsweise deren Sammlung durch die Westfalenpost. Eine Politik, die mutige oder auch umstrittene Projekte der Verwaltung unterstützen und fördern will, sollte anders agieren oder sich wenigstens anders äußern.

Was war …

Tatsächlich führte der Radweg nicht zum Umstieg tausender MIV-Nutzer aufs Rad. Ob es an zu wenig spontanen Bürger*innen, einer tendenziösen Berichterstattung / Stimmungsmache „Contra-Radfahren in Hagen“ oder auch daran lag, dass er sich nur ganze 5 Tage in abgesicherter Form nutzen ließ ist schwer zu klären. Bei unseren Tests des Radweges gab es entgegen der allgemeinen Wahrnehmung doch immer einige Radfahrerende zu sehen. Was wir nicht sehen konnten waren verkehrstechnisch unhaltbare Zustände wie sie in vielen Kommentaren geschildert wurden. Der Verkehr floss weniger zügig als sonst und natürlich ist die Schlange vor einer Ampel doppelt so lang wenn halb so viele Spuren vorhanden sind [6].

und was hätte sein können …

In Hatopia, einem idealen, utopischen Hagen, hätte die Hagener Politik den Radweg feierlich eröffnet indem  Dietmar Thieser und Erik O. Schulz (nicht Hand-in-Hand wegen Corona) bis zum Kreisel in Gevelsberg und wieder zurück nach Haspe geradelt wären. Viele MIV-Nutzer*innen, die täglich die L700 befahren, hätten das Radfahren auf diesem Wege wann immer möglich ausprobiert und so zu einem verbesserten emissionsärmeren Verkehrsfluss beigetragen und des Öfteren mal einen Shopping-Halt in den Hasper Einkaufsstraßen gemacht. Das Stadtradeln hätte sechsstellige Kilometerzahlen erreicht und Hagener*innen hätten sich in vielen Briefen und Kommentaren eine Fortsetzung und Erweiterung dieses Verkehrsexperimentes gewünscht.

Zwischen dem was ist und was hätte sein können, liegt eine Grenze. Diese Grenze ist nicht scharf geschnitten –sie existiert nur im Kopf.

 

Fußnoten

[1] Öffentliche Beschlussvorlage der Stadt Hagen 0799/2020 vom 14.09.2020
[2] https://www.youtube.com/watch?v=Cb779jlNDyw
[3] „Selbstversuch auf Test-Radspur im Stadtteil Haspe (Westfalenpost am 25.09.2020).
[4] Facebook „Ich muss mich darauf verlassen, dass die Fachleute der Verwaltung uns fach- und sachgerecht informieren und beraten. In der Angelegenheit haben sie uns völlig hinters Licht geführt. Das wird Konsequenzen haben.“ (22:33 Uhr Fr 25.09.2020).
[5] „Die Bezirksvertretung Haspe ist nach meinen Informationen in dieser Sache das entscheidende Organ. Und wenn es nach mir geht, kommen die Spuren sofort weg“ (Westfalenpost am 1.10.2020 „Wird umstrittener Test-Radweg in Haspe heute einkassiert?“)
[6] https://www.youtube.com/watch?v=qhnwxCZSPKY&list=PLrlCI-n0XqjtHTaSR-cvpH0Apyn6hndJ-&index=5

 

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